Marcus Bosch

Pressestimmen

Einkehr mit Bach - Johannespassion

2016/03/25, Oper Nürnberg Johann Sebastian Bach: Johannespassion BWV 245
Nürnberger Zeitung, 29. März 2016, Egon Bezold
Kämpferische in der Unbeirrbarkeit

Am Karfreitag applaudierten die Zuhörer im Opernhaus anlässlich der „Einkehr mit Bach“ begeistert einer historisch informierten Wiedergabe der „Johannespassion“.

Die Erleuchtung, dass auch ein auf kleinere Besetzung reduziertes sakrales Drama erschüttern kann, ist Marcus Bosch und dem 16-köpfigen, mit gemischten Stimmen besetzten und von Andreas Klippert akkurat vorbereiteten Kammerchor „Vokalwerk“ sowie der Staatsphilharmonie zu danken.

Bosch macht Emst mit den Tugenden einer historisch informierten Aufführungspraxis. So wird die Darstellung der Affekte auf das harmonische Geschehen, auf die melodisch-rhythmischen Figuren, auf die Sprachebene der Musik statt auf vordergründige Monumentalität verlegt. Hier gibt es kein Vibrato mehr, keinen fetten Ton, sondern kurzbogige Phrasierung. So verbindet sich sprechende Artikulation mit wohl dosierter klangsinnlicher Konzeption zur stimmigen Einheit. Aufhorchen lassen die gut verfolgbaren Stimmenverläufe im polyphonen Gewebe. In dieser vibrierenden Passionsmusik werden die sauber intonierenden Chorstimmen behutsam dynamisch abgestuft. Die Choräle verstehen sich hier nicht als neutrale Kommentare, nicht in objektivierender Diktion, sondern in einer emotional geschmackvollen Lesart, die frei bleibt von rührseligen Zutaten. In schroffer Diktion entwickelt das Volk zu Beginn das Klagen. Prägnanz regiert hier vor überzogenem Pathos. Die hasserfüllten Turbae-Einwürfe „Er ist des Todes schuldig“ bezeugen Realistik, Hohn, Spott, Grausamkeit. Dramatisch verdichtet, die Starre betonend äußert sich „Wir haben ein Gesetz“. Locker äußert sich die Klanggestik in „Sei gegrüßet“ als Tanz um den verspotteten Judenkönig und bei „Lasset uns den nicht zerteilen“, dem Tanz um den Rock Jesu. Geschafft hört man das dissonante „Wäre dieser nicht ein Übeltäter“ und die Sprünge wie „Kreuzige“. Wie hellhörig stellen sich die Solisten doch auf das fabelhaft durchgeformte Konzept von Marcus Bosch ein. Bravourös, gänzlich unmanieriert, begeistert der ungarische Tenor David Szigetväri in der Partie des Evangelisten. Er geizt nicht mit ekstatischem Furor, dosiert geschmackvoll das Pathos und beeindruckt virtuos in den Arien mit instrumentalem Singen. Die Unbeirrbarkeit des Gottessohns charakterisiert kämpferisch Sebastian Geyer, während sich Daniel Dropulja eindrücklich den Partien von Petrus und Pilatus widmet. Sophie Klussmann gibt die Sopran-Arie „Zerfließe, mein Herze“. Mit der Differenzierungskunst der instrumentalen Begleitung harmoniert Ida Aldrian mit schönem Stimmtimbre in der Alt-Arie „Es ist vollbracht“. Edle Bläserstimmen unterstreichen im Kammerensemble fein ausgehörte instrumentale Farbigkeit. Alles in allem: ein Bach voll rhythmischer Spannkraft, kammermusikalisch durchpulst, strukturell wie emotional akkurat geführt. Da bleibt die Feststellung, dass Bach eben nicht nur erfühlt, sondern auch akribisch durchdacht sein muss. Diese Synthese gelang Marcus Bosch überzeugend.

 



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